…und was wirklich hilft

Viele Eltern kennen die Situation: Das eigene Kind zählt bei jeder Rechenaufgabe mühsam weiter, selbst bei scheinbar einfachen Aufgaben wie „5 + 2“. Schnell entsteht der Eindruck, das Kind sei unkonzentriert oder müsse sich nur mehr anstrengen. Tatsächlich ist dieses Verhalten ein wichtiges Signal: Das Kind rechnet noch nicht aus einem gesicherten Mengenverständnis heraus, sondern verlässt sich auf zählende Strategien. Ein genauer Blick auf dieses sogenannte „zählende Denken“ lohnt sich, vor allem, wenn Rechenschwäche vermutet wird.
Was genau bedeutet „zu langes Zählen“?
Wenn Kinder Aufgaben wie „4 + 3“ lösen, indem sie „5, 6, 7“ aufzählen, zeigt das, dass sie Mengen nicht als Einheiten erfassen. Sie denken nicht in Zahlenbeziehungen, sondern folgen der Zahlwortreihe. Diese Strategie mag kurzfristig helfen, ist aber langfristig fehleranfällig und verhindert mathematisches Verständnis.
Gerade Kinder mit Rechenschwierigkeiten bleiben oft jahrelang im zählenden Denken verhaftet. Statt Zahlen zu vernetzen oder zu zerlegen, wird mechanisch weitergezählt: ein Hinweis auf fehlende Vorläuferkompetenzen, wie sie etwa bei Dyskalkulie typisch sind.
Warum Kinder im Zählen „stecken bleiben“
Ein zentrales Problem ist ein noch nicht aufgebautes Mengenverständnis. Kinder, die fünf Dinge einzeln abzählen, statt sie auf einen Blick zu erfassen, haben keine stabilen inneren Mengenbilder. Diese schnelle Mengenerkennung, auch Subitizing genannt, bildet die Grundlage für das Denken in Zahlbeziehungen.
Auch das Teile-Ganzes-Verständnis spielt eine wichtige Rolle. Es beschreibt die Fähigkeit, eine Zahl als Zusammensetzung kleinerer Zahlen zu sehen („2 und 3 machen 5, 6 kann aus 3 und 3 bestehen, aber auch aus 4 und 2“). Fehlt diese Vorstellung, bleibt das Rechnen mühsam und wenig flexibel.
Darüber hinaus ist das sogenannte Kardinalverständnis entscheidend: Kinder müssen verstehen, dass eine Zahl für eine bestimmte Menge steht, unabhängig von Reihenfolge oder Zählweise. Fehlt auch dieser Baustein, wird das Zahlenlernen schnell zur Belastung.
Nicht selten kommen weitere Faktoren hinzu: Sprachentwicklungsverzögerungen, Konzentrationsprobleme oder fehlende Alltagserfahrungen im Umgang mit Mengen. All das erschwert den Aufbau eines soliden Zahlverständnisses und kann in der Folge zu Vermeidung und Angst vor dem Rechnen führen – lies dazu gerne den Artikel Matheangst und Rechenschwäche: was Eltern und Fachkräfte wissen sollten – blog-entspannt-rechnen
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Was Eltern tun können und was wirklich hilft
Die gute Nachricht: Kinder, die zu lange zählen, können gezielt unterstützt werden. Entscheidend ist nicht das Üben von Aufgaben, sondern der Aufbau mathematischer Grundideen, und das gelingt am besten durch konkretes Handeln.
Eltern können im Alltag vielfältige Impulse geben: beim Spielen mit Bauklötzen, beim Sortieren von Alltagsgegenständen oder durch einfache Mathefragen wie „Wie viele fehlen bis zehn?“ oder „Wie kann man fünf aufteilen?“.
Auch das bewusste Arbeiten mit Mengenbildern ist hilfreich. Materialien wie Blitzblick-Karten oder Zwanzigerfelder können dabei unterstützen, Zahlen nicht nur zu zählen, sondern als Mengen zu begreifen. Im Shop von „entspannt rechnen“ finden sich dazu im Moment das Materialpaket Modul 1: Mengenerfassung bis 5 – und weitere Printables für die Zahlenräume bis 10 und bis 20 sind in Planung.
Wichtig ist: Kinder müssen nicht vom Zählen abgebracht werden. Vielmehr sollen sie erleben, dass es auch andere Wege gibt, Mengen zu erfassen und Rechenwege zu finden. Das braucht Zeit, Ermutigung und Raum für Fehler, nicht Tempo oder Drill.
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Fazit: Rechnen beginnt weit vor den ersten Aufgaben
Wenn Kinder zu lange zählen, zeigt das: Sie stehen auf einer frühen Entwicklungsstufe mathematischen Denkens. Das ist kein Grund zur Sorge, sondern ein wertvoller Hinweis. Denn wer genau hier ansetzt, kann Kinder nachhaltig stärken.
Mathematisches Denken entsteht nicht durch bloßes Üben, sondern durch verstehendes Tun. Eltern müssen keine Mathe-Profis sein, aber sie können durch einfache Impulse dazu beitragen, dass ihr Kind lernt, mit Zahlen zu denken.
Weiterführende Literatur
Butterworth, B. (2005). The development of arithmetical abilities. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 46(1), 3–18.
Fischer, F., Greiner, C., & Bönsch-Kauke, M. (2013). Frühe mathematische Bildung in Kindergarten und Grundschule. Cornelsen Scriptor.
Moeller, K., Pixner, S., Kaufmann, L., & Nuerk, H. C. (2009). Early place-value understanding as a precursor for later arithmetic performance. Cognition, 113(2), 204–210.
Ricken, G., Fritz, A., & Balzer, L. (2011). Marko-D Test: Diagnostik mathematischer Kompetenzen. Göttingen: Hogrefe.
Wittmann, E. C., & Müller, G. N. (2017). Das Zahlenbuch. Mathematische Bildung von Anfang an. Klett Verlag.
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